Für eine gelungene Séance lege ich beide Hände auf den Tisch, spreize die Finger und lasse meine Daumen einander berühren. Ich habe zwei Paar Handschuhe vorbereitet, die meine Gesprächspartner darstellen oder aber gemeinsam mit mir dem Übersinnlichen nachspüren. Braune aus Wildleder, die stumm wie zierliches Gehölz auf mich gewartet haben, und grobe Schihandschuhe, die Sportsgeist und Ausdauer symbolisieren. Die Schihandschuhe erwecken den Anschein, es befänden sich nach wie vor Hände in ihnen – als wären sie während eines Wettkampfes vom Körper abgetrennt worden. Winterhände, denke ich, die man saisonbedingt abschraubt wie entsprechende Reifen, um sie gemeinsam mit der kalten Jahreszeit in der Garage zu verstauen. Mitsamt meinen Händen bilden die vier Handschuhe einen Kreis. Unmittelbar vor der Kontaktaufnahme fällt mir ein, dass sich einer der beiden Wildlederhandschuhe hervorragend für ein Messerritual eignen würde. Dabei legt man den Handschuh ganz ähnlich wie ich es für unsere Séance gemacht habe, mit gespreizten Fingern auf die Tischplatte, nimmt ein Jagdmesser zur Hand und sticht es zwischen Daumen und Zeigefinger. Damit ist das Ritual eröffnet. Als nächstes rammt man das Messer in den Zwischenraum, der Zeige- und Mittelfinger trennt. Dann kehrt man zum Ausgangspunkt zurück, also zwischen Daumen und Zeigefinger, atmet ein, sticht in die Tischplatte, zieht das Messer wieder heraus, springt zwischen Mittel- und Ringfinger, atmet aus, setzt erneut beim Daumen an, geht dann weiter zu Ringfinger und kleinem Finger, sticht zu, atmet ein, wieder zurück, zustechen, eins weiter, zurück und so fort. Hinzukommt, dass die Geschwindigkeit von Mal zu Mal gesteigert wird. Zurückspringen, einatmen, zustechen, ausatmen. Ob ich es mit beiden Händen versuchen soll? Schließlich habe ich zwei Handschuhe, und mir fällt kaum eine Tastatur ein, der sich mit fünf Fingern auch nur ein Hauch von Virtuosität entlocken ließe. Außerdem kann ich das Paar ohnedies wegschmeißen, sofern ich einen der beiden Handschuhe demoliere. Ehe eine Entscheidung fällt, hat mich die spirituelle Umnachtung bereits in ihrem finsteren Griff.
Hanno Millesi, Wien