In deinen Büchern haben Literatur, aber auch Film, Musik, Kunst eine bedeutende Rolle. Du zitierst vieles, es gibt zahlreiche Verweise, für deine Figuren sind sie entscheidende Medien zur Erfassung von Welt. Ein immer wiederkehrender Referenzpunkt ist Jorge Luis Borges.
In meiner Biographie, die zu wesentlichen Teilen eine Leserbiographie ist, gibt es eine Anzahl von Autoren und auch Denkern, von Musikschaffenden und Bildschaffenden, die mich geprägt haben und in der einen oder anderen Weise da sind, präsent, in meiner Nähe. Borges gehört zu ihnen. Borges, der hochintellektuelle Autor. Georgie, wie er von der Großmutter und von Freunden genannt wurde, im Leben ein Unglücksrabe, bis er dann blind wurde und doch noch eine Art Glück fand. Borges, der Präzisionsfabrikant von Erzählungen, den ich nur bewundern kann (wie man Kafka nur bewundern kann). Von Autoren wie ihm möchte ich alle Seiten kennen.
Hier noch ein Postskriptum: Im Rückblick auf das, was ich gemacht habe, fällt mir auf, daß Künstlerfiguren immer wieder eine wichtige Rolle spielen. Musik kommt in meinen Büchern thematisch vor, zugleich soll die Prosa selbst Rhythmen erzeugen und Klänge. Dazu die Bildlichkeit, das alles verschränkt sich.
Ich möchte nochmals zurückkommen auf den eingangs zitierten Band „Schönheit und Schmerz“. Üblicherweise denken wir Schönheit und Schmerz nicht zusammen. Welche Verbindung gibt es hier für dich? Braucht es die Erfahrung von Schmerz, um Schönheit wahrzunehmen? Und ist die Erfahrung von Schönheit eine schmerzvolle?
Jahrzehntelang habe ich immer wieder über Rilkes Satz „Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen“ nachgedacht. Er läßt sich nicht auflösen, man kommt mit dem Verstehen an kein Ende. Er ist weder falsch noch richtig (was ja generell ein Merkmal von Literatur ist). In meinem Denken hat sich an die Stelle des Schrecklichen langsam der Schmerz geschoben. Engel sind schrecklich, schreibt Rilke weiter. Wieso sind sie schrecklich? Weil ihre Existenzweise schrecklich ist? Bruno Ganz zeigt in Der Himmel über Berlin auf großartige Weise den Schmerz dieser farblosen, gefühllosen Ewigkeit. Vielleicht ist die Schönheit die Kehrseite des Schmerzes. Ein bißchen lapidarer gefaßt, ist der Schmerz der Preis, den wir für die Wahrnehmung des Schönen zahlen.
In der „Geschichte vom Ende“ heißt es: „Das Überleben, in all diesen winzigen Katastrophen. Und Glücksmomenten. Mehr verlangen wir nicht.“
Ja.
Leopold Federmair führte ein Gespräch mit Petra Nagenkögel.
Lesen Sie folgende Bücher von Leopold Federmair. Wenn Sie auf den Titel klicken, erhalten Sie weitere Informationen zu den Büchern und zum Autor:
Die lange Nacht der Illusion. Roman (Otto Müller Verlag, 2020)
Schönheit und Schmerz (PalmArtPress, 2019)
Tokyo.Fragmente (Otto Müller Verlag, 2018)