Als ich ein Kind war, schickten uns die Verwandten in Jugoslawien eine 3-D-Karte eines blauen Sees und einer Stadt auf einem Hügel. Drehte man die Karte hin und her, enthüllten sich verschiedene Blicke auf die Stadt. Das war faszinierend. Stundenlang konnte ich das tun, verzaubert vom Blau des Sees – groß wie ein Meer – und den Möglichkeiten, die er verkörperte.
Fischer, Hausierer, Witwen, Waisen – Opfer, Täter und jene, denen es gelungen ist, sich aus den Verstrickungen zu befreien. Wie in einem Brennglas werden die Konflikte und Tragödien von Nationalstaaten in jenem Winkel Europas sichtbar, in den uns Kapka Kassabova in ihrem Buch Am See führt: das zwischen Nordmazedonien, Albanien und Griechenland aufgeteilte Gebiet um den Ohrid- und Prespasee. Es ist verbunden mit ihrer eigenen Familiengeschichte, und so wird aus der Erkundung einer Gegend, ihrer Historie und politischen Verwerfungen eine Reise in die eigene Vergangenheit. Kassabova versteht es, die Zusammenhänge zwischen Topografie und Biografie bloßzulegen und Menschen zum Erzählen zu bringen, deren Biografien die Zerrissenheit der Jahrhunderte spiegeln.
Auf Einladung von prolit führte die Autorin online ein Gespräch mit Petra Nagenkögel und las aus ihrem Buch Am See.

Das Buch Am See ist 2021 in der Übersetzung von Brigitte Hilzensauer im Zsolnay Verlag erschienen.
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